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Pelztierhaltung in der EU seit Jahren unrentabel – kostet EU-Bürger*innen jährlich 446 Millionen Euro, zeigt neuer Bericht

Pelztierhaltung in der EU hat weder wirtschaftlich noch moralisch eine Zukunft – sie muss verboten werden

Fox fur farm investigation in Finland, carried out by Humane World for Animals in collaboration with Finnish animal protection group Oikeutta eläimille in late October 2024.

Kristo Muurimaa

BERLIN – Tierschutzorganisationen haben die Europäische Kommission erneut aufgefordert, ein EU-weites Verbot der Pelztierhaltung und des Pelztierhandels voranzutreiben. Anlass ist die heutige Vorstellung eines neuen wirtschaftlichen Berichts im Europäischen Parlament, der zeigt: Die Pelztierhaltung ist finanziell so unrentabel, dass sie der EU jährlich Millionen kostet.

Der Bericht mit dem Titel A full-cost account of the EU fur industry wurde vom Umweltökonomen Griffin Carpenter verfasst. Er beleuchtet den wirtschaftlich fragilen Zustand der Pelztierindustrie und zeigt, dass die Umwelt- und Gesundheitskosten der Branche den wirtschaftlichen Mehrwert (GVA) bei weitem übersteigen. Die Gesamtkosten für EU-Bürger*innen liegen demnach bei 446 Millionen Euro pro Jahr.

Die Pelztierhaltung ist seit mehreren Jahren nicht mehr rentabel, da die Fellpreise unter die Produktionskosten gefallen sind. Der Marktwert der Pelze ist in den vergangenen zehn Jahren um 92 % gesunken – die Branche ist wirtschaftlich nicht mehr tragfähig. Mit einem negativen wirtschaftlichen Mehrwert von 9,2 Millionen Euro trägt sie nicht zur EU-Wirtschaft bei, sondern belastet sie.

Die Pelztierproduktion verursacht zudem erhebliche Umweltschäden – geschätzt 226 Millionen Euro jährlich – durch Verschmutzung, Ressourcenverbrauch, lokale Beeinträchtigungen und Probleme mit entkommenen, gebietsfremden Arten. Die hohen Emissionen der Branche stehen in Verbindung mit chronischen Atemwegserkrankungen und vorzeitigen Todesfällen in ganz Europa.

Pelztierfarmen stellen auch ein massives Risiko für die öffentliche Gesundheit dar, da sie potenzielle Reservoirs für Zoonosen sind. Das wurde während der COVID-19-Pandemie sehr deutlich. Der Bericht schätzt, dass Maßnahmen zur Eindämmung der Übertragung zoonotischer Erreger bis zu 211 Millionen Euro jährlich kosten würden.

All das geschieht letztlich auf Kosten von Millionen Tieren, die in Käfigen leben müssen, unter psychischem Stress leiden, an natürlichen Verhaltensweisen gehindert werden und physische Verletzungen erleiden – alles für ein überflüssiges Modeprodukt, von dem sich sowohl Verbraucher*innen als auch führende Marken zunehmend abwenden.

Der heute im Europäischen Parlament vorgestellte Bericht erscheint nur wenige Wochen nach der Veröffentlichung des wissenschaftlichen Gutachtens der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA). Dieses stellt klar: Das Leid der Tiere auf Pelztierfarmen ist unvermeidbar, ihre Bedürfnisse können nicht erfüllt werden, selbst bei zusätzlicher „Bereicherung“ der Haltungsbedingungen. Das Gutachten ist eine Antwort auf die Europäische Bürgerinitiative „Fur Free Europe“, die von 1,5 Millionen EU-Bürger*innen unterstützt wird. Die Kommission will bis März 2026 eine endgültige Antwort geben.

„Die scheinbaren Gewinne der Pelztierindustrie verdecken enorme versteckte Kosten – für die öffentliche Gesundheit, die biologische Vielfalt, das Tierwohl und das Klima. Diese neue Studie liefert uns noch stärkere Argumente für Gesetze, die sicherstellen, dass kein Handel im Binnenmarkt von Grausamkeit und Umweltschäden profitiert“, sagt MEP Kristian Vigenin (S&D), Gastgeber der Veranstaltung im Europäischen Parlament.

Griffin Carpenter, Autor des Berichts, erklärt: „In der Regel prüfen wir in solchen Analysen, ob eine Branche der Gesellschaft mehr wirtschaftlichen Nutzen bringt als Umwelt- oder Sozialkosten verursacht. Bei der Pelztierindustrie ist es das erste Mal, dass ich eine Branche sehe, die schon mit negativem wirtschaftlichen Wert startet. Wenn man Umwelt- und Gesundheitskosten einrechnet, verschlechtert sich dieser negative Beitrag noch weiter.

Die Pelztierhaltung in der EU ist seit Jahren nicht profitabel und ohne zusätzliche Mittel ist sie wirtschaftlich nicht überlebensfähig. Die Branche ist außerdem ein bedeutender Empfänger öffentlicher Gelder – diese Zahlungen übersteigen bei Weitem die erzielten Steuereinnahmen.“

Sylvie Kremerskothen Gleason, Country Director bei Humane World for Animals Deutschland (ehemals Humane Society International), sagt: „Es ist höchste Zeit, dass Deutschland Verantwortung übernimmt und sich klar für ein EU-weites Verbot der Pelztierproduktion ausspricht. Die aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse der EFSA belegen eindeutig, dass die Haltungsbedingungen auf Pelztierfarmen den grundlegenden Bedürfnissen der Tiere nicht gerecht werden. Gleichzeitig zeigt der neue Bericht von Griffin Carpenter, dass die wirtschaftliche Grundlage dieser Industrie längst weggebrochen ist.

Die Schäden, die die Pelztierhaltung verursacht – Umweltbelastung, Gesundheitsrisiken und das immense Leid empfindungsfähiger Lebewesen – stehen in keinem Verhältnis zu einem nicht mehr zeitgemäßen Luxusprodukt. Deutschland muss jetzt ein starkes Signal setzen und sich gemeinsam mit anderen EU-Mitgliedstaaten für ein endgültiges Ende dieser grausamen Praxis einsetzen.”

Zentrale Ergebnisse des Berichts:

  • In 23 EU-Mitgliedstaaten wurden vollständige, teilweise oder faktisch wirksame Verbote erlassen. Hauptländer, in denen die Pelztierhaltung noch erlaubt ist, sind Polen, Finnland und Griechenland.
  • Die Pelztierhaltung in der EU befindet sich im rapiden Niedergang, analog zur weltweiten Entwicklung. Die Zahl der getöteten Tiere ist in den vergangenen zehn Jahren um 86 % zurückgegangen, auf 6,3 Millionen Tiere im Jahr 2024. Der Wert der Pelzverkäufe sank im gleichen Zeitraum um 92 %, auf geschätzte 183 Millionen Euro. Mit dem Auslaufen bestehender Übergangsfristen bis 2028 wird ein weiterer Rückgang der Produktion um 15-20 % erwartet.
  • Die Pelztierindustrie macht weniger als 0,003 % der EU-Arbeitsplätze aus. Die Zahl der Pelztierfarmen in der EU ist in den vergangenen zehn Jahren um 73 % gesunken, die Beschäftigung auf diesen Betrieben um geschätzte 86-92 %.
  • Die Pelztierhaltung erhält erhebliche öffentliche Gelder, etwa als Ausgleich für entgangene Einnahmen durch COVID-19, Vogelgrippe oder Russland-Sanktionen. Insgesamt übersteigen diese Zahlungen die Steuererträge der Branche bei Weitem.

ENDE

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